Leiser die Glocken nie klingen

Knisterndes Feuer, besinnliche Lieder, geflüsterte Worte unterm Tannenbaum…aber auch nervtötende Klassiker im Radio und aufgeregtes Kindergeschrei – die nahende Weihnachtszeit ist voller Höreindrücke, die man zum Teil hören, zum anderen aber auch „über“-hören möchte. Wie gut dieser akustische Spagat gelingt, hängt ganz vom Gesundheitszustand des jeweiligen Gehörs ab…
Ein Hörverlust zu Weihnachten kann Familie und Betroffene vor Herausforderungen stellen. Missverständnisse und Unmut sorgen für schlechte Stimmung, Unzufriedenheit und Unsicherheit.
Häufig wird einem erst in Gesellschaft bewusst, dass zu viele akustische Reize überfordern. Ein Hörverlust kann die Ursache sein.

Das menschliche Gehör ist ein Wunderwerk der Natur. Es ermöglicht uns 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche alle akustischen Informationen aufzunehmen und uns an die unterschiedlichsten Hörsituationen anzupassen. Leise gesprochene Sprache in ruhiger Umgebung kann ebenso gut entschlüsselt werden, wie laute Sprache in akustisch anspruchsvollen Situationen. Und auch wenn sich jeder von uns bestimmt schon einmal gewünscht hätte, seine Ohren „abschalten“ zu können, hat die ständige Aktivität unseres Gehörs evolutionsbiologisch große Vorteile: nur wer die Geräusche seiner Umgebung permanent registrieren konnte, hatte eine Chance rechtzeitig auf die Anwesenheit von Fressfeinden zu reagieren. Das war früher überlebenswichtig. Doch auch heutzutage hat die permanente Alarmbereitschaft seinen Sinn: ob es das pünktliche Wecken am Morgen oder die Reaktion auf das Schrillen des Rauchmelders ist – unser Gehör schützt uns vor Gefahren und das sogar im Schlaf. Wie präzise und detailgetreu unser Hörsinn arbeitet, wird uns jedoch häufig erst bewusst, wenn sich die ersten Defizite zeigen.

Schleichende Hörentwöhnung durch einen Hörverlust

Solange unser Gehör intakt ist, nehmen wir die Adaption an unterschiedliche akustische Rahmenbedingungen als selbstverständlich hin. Wir denken z.B. nicht darüber nach, dass wir uns trotz lauter Musik auf den Inhalt eines Buches konzentrieren können oder den Kellner trotz Geschirrklappern und Gesprächen am Nachbartisch verstehen können. Man könnte sagen: uns ist die meiste Zeit nicht bewusst, was unser Gehör leistet. Erst wenn die Leistungsfähigkeit unseres Gehörs nachlässt, wird deutlich, was gutes Hören und Verstehen für unseren Alltag bedeutet. Meist ist diese Veränderung ein schleichender Prozess, den wir intuitiv sehr lange kompensieren können. Durch lauteres Sprechen, der Bitte nach Wiederholungen oder gezieltem Lippenlesen kann ein schlechter Hörsinn lange ausgeglichen werden. Die ersten Defizite zeigen sich dann häufig anders als erwartet: statt Dinge konstant leiser zu hören, haben Betroffene häufig das gegenteilige Problem – akustisch anspruchsvolle Situationen werden als zu laut empfunden und vermeintliche Hintergrundgeräusche können immer schlechter ausgeblendet werden. Dadurch kombiniert sich der Eindruck vermeintlich gut zu hören, mit der Empfindung immer schlechter zu verstehen. Gesellschaftliche Situationen wie Familienfeiern oder Restaurantbesuche werden so zu einer immer größeren Herausforderung. Und das liegt nicht nur an der eingeschränkten Leistungsfähigkeit der Ohren, sondern im gleichen Maß an der nachlassenden Funktionalität der Hörverarbeitung. Auch Ohrgeräusche wie Tinnitus oder eine ausgeprägte Geräuschüberempfindlichkeit können auf diesen Bereich des Gehörs zurückgeführt werden und zu einer immensen akustischen und psychischen Belastung werden.

Betroffene mit Hörverlust berichten

Familienfeiern wie Geburtstage oder Weihnachten sind eine Tortur für mich. Sobald mehrere Leute im Raum sind und im schlimmsten Fall noch Musik im Hintergrund läuft, bin ich außen vor. Um meinen Gegenüber zu verstehen, bedarf es gezielten Lippenlesens und guten Ratens. Ein erfülltes Gespräch kommt da kaum zustande. Schon nach kurzer Zeit bin ich so erschöpft, dass ich mich aus dem Trubel zurückziehen muss.“

„Am liebsten treffe ich mich nur mit einer oder maximal zwei Personen. Und auch am liebsten bei mir zuhause. Da gibt es wenig Umgebungsgeräusche und ich kann mich so platzieren, dass ich gut verstehe. Zu größeren Feiern gehe ich gar nicht mehr.“

„Eigentlich höre ich ja noch gut, ich verstehe nur so schlecht. Vor allem in Gesellschaftssituationen. Die anderen Leute sprechen aber auch sehr undeutlich. Ich habe auch schon Hörgeräte ausprobiert, aber die haben das Problem für mich nur verschlimmert.“

Diese und ähnliche Berichte hören Akustiker und HNO-Ärzte täglich. Und die Ursache der Problematik ist eigentlich klar: der Hörverlust, den Betroffene erleiden, beschränkt sich nicht nur auf das Sinnesorgan Ohr und die Aufnahme von akustischen Informationen. In gleichem Maß baut der zweite Bereich unseres Gehörs – die Hörverarbeitung- in ihrer Leistungsfähigkeit ab. Und dieses Defizit äußert sich nicht in der leiseren Übertragung von Geräuschen, sondern in der schlechteren Verarbeitung von Hörinformationen und dem fehlenden Selektieren unerwünschter Hintergrundgeräusche. Man könnte sagen: wer eine Schwerhörigkeit entwickelt, kann mit der Zeit nicht nur schlechter hin-, sondern auch immer schlechter weghören.

Baustelle Hörgeräte - durch Training und Technik zu mehr Hörgesundheit

Werden an ein geschädigtes Gehör lediglich Hörgeräte angepasst, löst man damit zunächst nur einen Teil der Problematik: die eingeschränkte Verstärkungsleistung der Ohren wird ausgeglichen. Die Frequenzbereiche, die das Ohr selbst nicht mehr richtig lauter machen kann, können von der Hörgerätetechnik weitestgehend verstärkt werden – zumindest theoretisch. Die Hörentwöhnung, die mit der schleichenden Schädigung des Gehörs einhergeht, bedingt allerdings, dass gerade hohe Frequenzbereiche sehr unnatürlich und ungewohnt klingen. Daher ist die Akzeptanz für das ursprüngliche und richtige Hörbild, das die Hörgeräte abbilden müssten, in der Regel nicht gegeben. Die Hörgeräte werden in der Folge also deutlich leiser eingestellt als nötig, um auf Seiten des Betroffenen eine spontane Akzeptanz zu erzielen. Ein partieller Ausgleich der fehlenden Verstärkung bringt zwar vor allem in ruhigen Situationen eine Verbesserung des Hörbildes, sobald die Umgebungssituation jedoch komplexer wird, ist das Hören weiter eingeschränkt. Doch wie ist es dann möglich, die individuelle Hörgesundheit mit Hörgeräten wieder herzustellen?

Die Gewöhnung an die wiedergewonnene Lautstärke und die Akzeptanz ungewohnter Tonhöhen sind genauso elementar für den Hörerfolg wie der entspannte Umgang mit der neuen Vielzahl von Hörinhalten. Verantwortlich für die Einordnung dieser akustischen Elemente ist primär die Hörverarbeitung, also der Bereich des Gehirns, der für die Selektion und Filterung des Gehörten verantwortlich ist. Die Leistungsfähigkeit dieses Bereichs hat im Zuge des Hörverlustes und der dadurch reduzierten Ohrleistung ebenfalls nachgelassen. Vor allem die Fähigkeit, gezielt Dinge akustisch auszublenden ist eingeschränkt. Bringt eine Hörgerätetechnik die fehlenden Frequenzen zurück, kann die Hörverarbeitung die Flut an neuen Hörinformationen spontan nicht verarbeiten. In der Folge sind viele Betroffene bei der Anpassung von Hörgeräten überfordert. Um das Potential von Hörgerätetechniken optimal nutzen zu können, ist ein zielgerichteter Aufbau der Hörfilterleistung daher essenziell. Betroffene müssen wieder lernen einzelne Sprecher zu fokussieren und gleichzeitig Hintergrundgeräusche auszublenden. Zudem müssen verschiedene akustische Fähigkeiten wie Differenzierung und Merkfähigkeit trainiert werden, um das akustische Gedächtnis aufzubauen. Dies kann mithilfe eines strukturierten Gehörtraining mühelos gelingen. Um den Erfolg zu gewährleisten, müssen Akustiker und Betroffene jedoch gleichermaßen zum Gelingen beitragen. Akustiker müssen Betroffene ausführlich über die Auswirkungen eines Hörverlustes informieren und neben Ton- und Sprachaudiogramm auch die Hörfilteraktivität überprüfen. Die Hörgerätetechnik muss im Anschluss therapeutisch eingestellt werden, um den größtmöglichen Nutzen für den Hörgeräteträger zu erzielen. Betroffene müssen im Gegenzug eben diese therapeutische Einstellung akzeptieren, die Hörgeräte ganztägig tragen und während des Trainingszeitraums konsequent die Übungen des Hörtrainings durchführen. Diese Kombination ermöglicht es in einem kurzen Zeitraum von 2- 3 Wochen zur bestmöglichen Hörgesundheit zu gelangen und das Potential der Hörgeräte voll ausschöpfen zu können. Eine Studie des terzo-Instituts und der Charite Berlin hat die positiven Effekte der terzo®Gehörtherapie belegt (Link zur Studie).

Angehörige berichten

„Mein Mann hört mir einfach nicht mehr richtig zu. Er ist unaufmerksam und ich muss alles mehrmals wiederholen, bis er es richtig versteht. Immer häufiger vergisst er auch einfach, um was ich ihn gebeten habe. Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass er gar nicht mehr hören will, was ich zu sagen habe.“

„Ständig beklagt meine Frau sich, dass ich zu leise spreche. Dabei hat sich daran in den letzten 30 Jahren nichts geändert. Ich habe ihr schon oft gesagt, dass sie zum Ohrenarzt gehen soll, aber davon will sie nichts hören.“

„Wenn ich in normalem Tonfall rede, kann mein Mann nicht richtig verstehen, was ich sage. Rede ich dagegen in voller Lautstärke, sagt er, ich soll ihn nicht anschreien…was ist denn nun richtig?“

Diese Berichte zeigen: das Thema Hörgesundheit ist in der allgemeinen Gesundheitsvorsorge vollkommen unterrepräsentiert. Die wenigsten Menschen wissen, wie sich die ersten Anzeichen eines Hörverlustes äußern und wie man im Falle eines Hörverlustes am besten vorgehen sollte. Auch der Umstand, dass die geistige Leistungsfähigkeit stark mit dem Hörsinn zusammenhängt, ist den wenigsten klar. Nur wenn man ein gesprochenes Wort klar und deutlich versteht, kann man es sich gut merken. Und nur wenn man genug akustische Informationen aufnehmen kann, ist das Gehirn gefordert und animiert mitzuarbeiten. Leise Nuancen können mit einem Hörverlust oft nicht mehr richtig wahrgenommen werden, laute Sprache klingt aber noch genauso laut wie zuvor. Und der Übergang zwischen „nicht hören“ und „laut hören“ ist dabei deutlich krasser. Betroffene fühlen sich oft schlecht, weil sie ständig nachfragen müssen und geben manchmal einfach auf, weil sie den Eindruck haben, sowieso nicht richtig verstehen zu können. Angehörige missdeuten dieses Verhalten dann als Desinteresse. Um solche Missverständnisse zu vermeiden, ist es nötig, sowohl Betroffene als auch Angehörige über die Auswirkungen eines Hörverlustes zu informieren – und das am besten frühzeitig.

Prävention für ein hörgesundes Leben

Eigentlich ist es eine essenzielle Aufgabe des Gesundheitssystems die Bevölkerung über Hörgesundheit zu informieren. Und dass nicht erst, wenn ein Hörgerät nötig ist, sondern optimalerweise so früh wie möglich. Schon Kinder und Jugendliche sollten rechtzeitig aufgeklärt werden, was Hörgesundheit bedeutet und wie man diese so lange wie möglich erhalten kann. Das beste Mittel, um hörgesund durchs Leben zu kommen ist Prävention. Laute Musik über Kopfhörer sollte weitestgehend vermieden oder zumindest zeitlich begrenzt werden und Gehörschutz sollte bei Konzerten oder lauten Sportveranstaltungen keine Option, sondern eine Selbstverständlichkeit sein. Präventive Maßnahmen sind die beste Option, um den Anteil hörgeschädigter Personen in der Bevölkerung zu minimieren und die Möglichkeiten, die gutes Hören eröffnet, so lange wie möglich uneingeschränkt nutzen zu können.

Endscheiden Sie sich bewusst für mehr Hörgesundheit und machen Sie regelmäßig eine Gehöranalyse. Unsere Kollegen vor Ort beraten Sie unabhängig zu allen Themen der Hörversorgung: ob Prävention, Gehörschutz, Gehörtherapie, Hörgeräteversorgung oder Tinnitus – bei uns sind Sie in besten Händen. Ihr terzo-Zentrum in Ihrer Nähe finden Sie unter terzo-Zentrum finden.

Ihre Erfahrung

Kommt Ihnen die eingangs beschrieben Sitaution bekannt vor? Die ach so besinnliche Weihnachtszeit leidet durch zu vielen Höreindrücken. Kennen Sie in Ihrem Umfeld Menschen, die nicht mehr gut verstehen? Oder haben Sie bei sich selbst schon Hörschwierigkeiten festgestellt? Wie gehen Sie mit den verschiedenen Situationen um? Würden Sie in Zukunft Betroffene mehr dazu raten, frühzeitig etwas gegen den Hörverlust zu unternehmen?

Schreiben Sie uns Ihre Erfahrungen! Wir hören uns.

Ihr terzo-Team

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Christina Heinisch

Dr. Christina Heinisch ist promovierte Biologin und arbeitet seit 2009 im Bereich der therapeutischen Hörakustik. Ein ganzheitliches, patientenzentriertes Vorgehen bei der Hörgeräteversorgung ist für sie daher keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Ihr Wissen zum Thema Hörgesundheit gibt sie in Workshops regelmäßig an Fachpersonal und Betroffene weiter.

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